Preisimage: Wie kann die Verbraucherwahrnehmung gemessen und gesteuert werden?

In Zeiten hoher Inflation flüchten Verbraucher oft zu Discountern, da sie davon überzeugt sind, dass diese die niedrigsten Preise für ihre täglichen Einkäufe bieten. Im Jahr 2022 erwirtschafteten ALDI & Co einen Umsatzanteil im Lebensmitteleinzelhandel von 36,9%. Dies entspricht einem Anstieg von 2,1% im Vergleich zum Vorjahr.*

Nur hält diese Intuition angesichts der jüngsten Studie von Business Insider nicht ausnahmslos stand: Bei den zugänglichsten Produkten – Einstiegsprodukte, Spitzenpreise und Handelsmarken – sind die Preise bei klassischen Supermärkten wie REWE teilweise sogar besser.

Preisexperten stellen sich daher die Frage: Wie kann man dieses breite Thema, das Preisimage, erfassen, steuern und mit den richtigen Preisen und der richtigen Kommunikation darauf reagieren?

Bei Mercio definieren wir das Preisimage als die Vorstellung, die Verbraucher vom Preisniveau eines Unternehmens haben. Das Preisimage ist ein hybrides Konzept. Es umfasst sowohl klare quantitative Elemente wie Produktpreise oder Preisunterschiede zu konkurrierenden Marken als auch qualitative Elemente wie die Übereinstimmung der Preise mit der Markenidentität des Einzelhändlers. Da die Elemente, die das Preisimage ausmachen, sowohl bewusst als auch unbewusst sind, ist die Analyse des Preisimages auf Seiten der Einzelhändler besonders komplex.

Es wäre durchaus verlockend, die Messung des Preisimages auf die Berechnung von Durchschnittspreisindizes im Vergleich zur Konkurrenz zu reduzieren. Diese Abkürzung wird jedoch dem Preisimage des Unternehmens nicht gerecht und bietet nur einen Bruchteil der Leistung der Preispolitik. Denn was interessiert die Einzelhändler letztendlich, ist es die Realität ihrer Preispositionierung oder die Wahrnehmung durch die Verbraucher?

In diesem Artikel möchte ich das Preisimage durch die Perspektive der Verbraucher beleuchten und einige Best Practices für die Steuerung des Pricings aufzeigen.

Preisniveau, Preisimage und Markenimage: diese drei Marketingkonzepte miteinander verknüpfen, anstatt sie zu vermischen.

Wir lesen regelmäßig Artikel in der Fachpresse, die eine Rangliste von Einzelhändlern nach ihrem Preisindex vorschlagen. In nahezu allen Fällen dient der Preisindex als Maßstab für das Preisimage und wird auf nationaler Ebene gemittelt. Die Begriffe Preisindex und Preisimage werden daher häufig verwechselt. Das von diesen Rankings herangezogene Kriterium gibt nur teilweise Aufschluss über die Wahrnehmung, die sich die Verbraucher von diesen Geschäften bilden, und stellt keine vollständige Analyse des Preisimages dar. Um die Analyse zu vervollständigen, muss man sich fragen, ob die Verbraucher auf den Etiketten das Versprechen wiederfinden, das die Marke in ihrer Kommunikation und Identität gegeben hat.

Der Verbraucher entwickelt sein Preisimage anhand sämtlicher Signale, die die Marke aussendet. Das Merchandising, die Werbeaktionen und die Angebote ermöglichen es, sich eine Meinung über die Marke zu verschaffen und ihre Positionierung zu bewerten. Ein längerer Öffnungsbereich, die Nähe oder ein guter Warenbestand sind allesamt Services, deren Wert von den Verbrauchern wahrgenommen wird. Diese Leistungen wirken sich daher auch auf die Akzeptanz des Listenpreises aus und tragen zum Aufbau des Preisimages bei.  All diese Elemente werden vom Verbraucher unbewusst wahrgenommen. Ich weiß, dass die Preise in diesem Geschäft höher sind, aber das erscheint mir gerechtfertigt: Das Geschäft ist « besser », « ich habe mehr Auswahl », « es ist einfacher, dort einzukaufen », « es ist angenehm ».

Kurz gesagt: Ein gutes Preisimage erfordert nicht, dass man der billigste Anbieter ist. In Frankreich hat das Warenhaus Monoprix eine höhere Preispositionierung als viele andere Supermarktketten, was sich jedoch nicht negativ auf das Preisimage auswirkt. In den 2000er Jahren wurde seine hohe Preispositionierung mit der Einführung von Discountern im direkten Wettbewerb in Frage gestellt. Um sein gutes Preisimage aufrechtzuerhalten, entschied sich Monoprix dafür, seinen Markenwert durch seine Produkte zu steigern und die Qualität zu fördern, indem es sein Serviceangebot ausweitete und eine neue Marketingstrategie anwandte. Dieser neue Ansatz war erfolgreich und konnte den höheren Preis gegenüber dem Verbraucher rechtfertigen.

Der Verbraucher kann sich der hohen Positionierung des Unternehmens seiner Wahl bewusst sein, aber dennoch eine positive Einstellung gegenüber dem Preisimage dieses Unternehmens haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Qualität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen diese Marktstellung rechtfertigt. Umgekehrt kann selbst der niedrigste Preis auf dem Markt schlecht ankommen, wenn die Qualität des Produkts nicht mit den Erwartungen des Verbrauchers übereinstimmt, was das Preisimage des Unternehmens verschlechtert. Ein Discountgeschäft bietet nicht das gleiche Kundenerlebnis wie ein herkömmliches Geschäft. Das Preisimage ist also nicht nur das Ergebnis der Preise, die das Geschäft anbietet. Vielmehr geht es darum, ein Angebot zu erstellen, bei dem die Produkte, die Preise, das Merchandising und die Werbeaktionen mit dem Versprechen des Unternehmens im Einklang stehen.

Messung des Preisimages: Wie kann man einen Preisindex berechnen, der die Feinheiten der Kundenwahrnehmung berücksichtigt?

Der Preisindex ist ein unverzichtbarer Indikator für die Steuerung der Preisgestaltung. Er ermöglicht es dem Einzelhändler, sich auf dem Markt gegenüber seinen Konkurrenten zu positionieren. Wie bereits erwähnt, reicht er jedoch nicht aus, um das Preisbild gegenüber des Verbrauchers wiederzugeben. Mit etwas Raffinesse kann er jedoch sicherstellen, dass die Preispolitik in den Augen der Verbraucher dem gewünschten Preisimage des Unternehmens entspricht.

Steuerung der Wettbewerbsindizes auf lokaler Ebene

Geografische Differenzierung ist ein Schlüssel zum Erfolg. Um dies zu veranschaulichen, hat uns diese Leclerc-Werbung als Reaktion auf eine Carrefour-Kampagne zum Schmunzeln gebracht.

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Diese sehr geschickte Formulierung weist auf einen wichtigen Punkt hin, den die Einzelhändler berücksichtigen müssen. Bei ihren Lebensmitteleinkäufen treffen die Verbraucher ihre Wahl nicht, indem sie schauen, was « im Durchschnitt in Frankreich » angeboten wird, sondern sie verlassen sich auf ihre persönlichen und damit lokalen Erfahrungen.

Meine Analyseschwerpunkte mit denen meiner Verbraucher in Einklang bringen.

Bei unseren wöchentlichen Einkäufen im Supermarkt zeigt sich das Preisbild, das wir von der Handelskette haben, erst beim Gang zur Kasse. Wir haben bereits eine Akzeptanzschwelle für den Betrag, der von uns verlangt wird im Kopf. Dabei kann eine Preiserhöhung für ein einzelnes Produkt unbemerkt bleiben. Es ist daher interessant, die Preispositionierung der Standardkörbe zu analysieren, die der Verbraucherrealität näher steht als ein globaler Preisindex.

Die großen Einzelhandelsunternehmen sind in der Lage, zahlreiche Daten über ihre Kunden zu sammeln. Zwar ist der Umgang mit diesen massiven Daten eine Herausforderung, aber die Mühe lohnt sich. Durch die Identifizierung typischer Verbraucher und der Echtzeitanalyse der Warenkörbe, können Sie Preisindizes erstellen, die die Einkaufsgewohnheiten Ihrer Kunden widerspiegeln, selbst wenn sich diese ändern. Auf diese Weise können Sie die Auswirkungen Ihrer Pricing-Entscheidungen auf das Konsumverhalten direkt und für jedes Geschäft genau messen. 

Derartige Preisindizes ermöglichen es Ihnen, Preise festzulegen, die sowohl Ihren Verbrauchern gerecht werden als auch genau genug sind, um Ihre Investitionen gezielt zu steuern. Auf diese Weise erreichen Sie eine optimale Positionierung und minimieren die Kosten für Ihr Unternehmen.

Das Category Management: eine zu wenig genutzte Möglichkeit zur Beeinflussung des Preisimages? 

Wir neigen dazu zu glauben, dass ein Preis für sich selbst spricht, aber die Erfahrungen mit dem Category Management zeigen, dass die Richtigkeit eines Preises fast ausschließlich durch Vergleiche beurteilt wird. Der Verhaltensökonom Daniel Ariely, Autor des Buches « Vorhersehbar irrational », liefert uns mit seinen Studien über die Entscheidungsfindung interessante Analyseelemente. Er zeigt die Paradoxa unserer täglichen Reflexionen auf, um die tatsächlichen Faktoren unserer Entscheidungen zu beleuchten.

Als Universitätsprofessor führte er eine Studie mit 100 seiner Studenten durch: 

Einer ersten Gruppe von Studenten bot er ein Abonnement der Zeitung « The Economist » an. Diese Gruppe hatte die Wahl zwischen einem Online-Abonnement für 59 $ und einem Abonnement der Print- und Online-Version für 125 $.

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 68 % der Schüler entschieden sich für die Webversion für 59 $.

Der zweiten Gruppe stellte er eine zusätzliche Option vor, nämlich die Papierversion zum Preis von 125 $, demselben Preis wie die Papierversion + WEB. Offensichtlich ist dieser Vorschlag uninteressant, da man für denselben Preis auch die Papierversion + WEB beziehen kann.

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Seltsamerweise entschieden sich in diesem Fall aber 84% der Schüler für die Option Papier + Web für 125 $. Die Ergänzung einer Option, die keinen Absatz generiert hätte, steigerte die Attraktivität der teuersten Option.

Was sagt uns diese Studie im Hinblick auf unser Thema? Der Verbraucher trifft seine Wahl unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Elemente und Optionen. Der Vergleich verändert die Wahrnehmung eines Preises als « fair » oder « nicht fair » und strukturiert eine unterschiedliche Werteskala.

Je nach Produktart wird der Verbraucher die Preise zwar auch anhand seiner Vorstellungen von Konkurrenzpreisen, aber vor allem im Vergleich zum Gesamtangebot des Geschäfts bewerten. Die Studie zeigt, dass ein Preis, um als « gut » wahrgenommen zu werden, strategisch innerhalb des Angebots positioniert sein muss. Dies unterstreicht, wie wichtig die Berücksichtigung seines Platzes innerhalb des Sortiments und innerhalb des Regals ist.

Diese Strukturierung des Sortiments durch die richtigen Preisunterschiede ermöglicht es den Einzelhändlern, die Einzigartigkeit ihres Angebots in ihrem Preisimage hervorzuheben. Ein Unternehmen möchte die attraktivsten Preise für nationale Marken anbieten, während ein anderes das ausgezeichnete Preis-Leistungs-Verhältnis seiner Handelsmarken hervorhebt.

Die Preiskohärenz ist also ein entscheidender Faktor für das Preisimage. Wenn sie beherrscht wird, bringt sie drei strategische Vorteile:

  • Der Verbraucher nimmt den Preis im Vergleich zu den anderen Produkten des Regals als fair wahr.
  • Der Verbraucher hat Vertrauen in die Preise und wird bei seinem Einkauf weniger auf die Preise achten. 
  • Die Beherrschung dieser Preiskohärenz ermöglicht es, die Produkte strategisch zueinander zu positionieren und so den Kauf auf bestimmte Produkte zu lenken.

Die Sortimentskohärenz trägt dazu bei, das Preisimage des Einzelhandelsunternehmens zu verbessern. Wenn sie präzise gesteuert wird, stellt sie ein wirksames Instrument dar, um den Verkauf von Eigenmarken anzukurbeln. 

Zusammenfassung:

Die Aufgabe des Pricings besteht darin, das Konzept des Preisimages zu erfassen, seine Funktionsweise zu verstehen und zielgerichtet für sich zu nutzen. Hierfür stehen den Pricern mehrere Werkzeuge zur Verfügung: 

  • Die Markenstrategie ermöglicht es, die Schwerpunkte der Arbeit zu bestimmen.
  • Ein ausgefeilter Preisindex ermöglicht es, die eigene Positionierung aus Sicht des Verbrauchers zu analysieren.
  • Das Category Management bestätigt die Wahl des Verbrauchers vor dem Regal und bestärkt ihn in seiner Entscheidung, dieses Geschäft zu besuchen.

Bei Mercio entwickeln wir eine Plattform, die es Einzelhändlern ermöglicht, sich mit diesen Themen zu befassen. Wir freuen uns darauf, mit Ihnen darüber zu diskutieren !

*Quelle STATISTA

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Julie Perné
Julie ist Expertin für Pricing im Einzelhandel. Sie hat 15 Jahre Erfahrung im Bereich der wirtschaftlichen Leistung im Einzelhandel - zunächst in der Logistik, dann in der Lagerverwaltung und schließlich im Pricing. Sie hat die Pricing-Transformation von zwei großen Spielwarenhändlern erfolgreich abgeschlossen, einer Branche, die besonders hart umkämpft ist und großen Veränderungen unterworfen ist. Julie stellt ihre Kompetenzen im Pricing und im Management von Transformationsprojekten in den Dienst der Kunden von Mercio.